Montag, 15. Oktober 2007

Rock’n’Roll Gretchenfrage

Nicht zum ersten Mal stellte sich mir dieser Tage folgende essentielle Frage: Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Musik einer Band und deren ‚Charakter’?

Konstruieren wir zur Veranschaulichung mal ein Beispiel: Du triffst auf offener Straße völlig unbehelligt den Frontsänger deiner Lieblingsband. Deiner absoluten Lieblingsband. Geschlechterspezifisch gesprochen bleibt dir das Herz stehen und du musst dich hochgradig konzentrieren, den Speichelfluss körperintern zu regulieren. Des Weiteren bist du nicht mehr sicher ob und wie lange dein Bewusstsein noch stabil genug bleibt, um auch nur gegen den dich haltenden Ampelpfeiler gelehnt zu bleiben, dessen Licht inzwischen das dritte Mal auf grün springt, was auch in Schweden bedeutet: GO!
Vereinfacht hast du genau zwei Möglichkeiten zu reagieren: a) du nimmst Kontakt auf und b) du lässt es. Ganz einfach a oder b. Entscheidest du dich für letzteres wirst du dich dafür in den Hintern zu beißen versuchen und das nächste Versagensgefühl provozieren. Du kannst Dir aber auch schönreden, warum b) in jedem Fall die bessere Entscheidung war. Denn wähltest du a), blieben wieder vereinfacht zwei mögliche Kommunikationsausgänge: aa) alles geht gut, der Typ ist riesig, du kriegst dein Foto, welchem der Neid deiner Freunde folgt, der wiederum dein Ego beflügelt, außerdem heiratest du ihn auf der Stelle, was die neidischen Freunde sowieso obsolet macht, später gebärst du drei heroinsüchtige Rockstars und willst lieber deine Freunde wieder und so weiter. Das eigentliche Problem ist aber Variante ab): Der Typ ist riesenscheiße. Wieder in zweierlei Varianten: aba) er lässt dich völlig von seinem Rockthron herab abblitzen und das obwohl er kleiner ist als du, ohne seine beknackte Bühne, außerdem sieht er ohne den ganzen Nebel auch nur noch halb so spannend aus oder abb) er ist einfach ein Idiot, du hast am Ende zwar ein Foto, ihr beide seht umwerfend zusammen aus, deine Freunde würden neidisch sein, die richtigen Freunde würden dich dazu noch beglückwünschen, aber so weit wird es nicht kommen, denn du wirst es keinem zeigen, denn der Vogel hat so viel entsetzlich bescheuerte Dinge gesagt oder so erschreckende Ansichten geäußert, dass du dich für ihn schämst, wie er da so verliebt neben dir lächelt. Das Problem ist aber nicht nur das Foto, das Problem ist jetzt die ganze Musik. Denn plötzlich hörst du bei jeder Textzeile, bei jedem Riff, bei jeder Bassline diesen fürchterlichen Menschen und die ganze Band hat sich für dich erledigt! Der ganze Zauber ihrer Musik, die dich vorher noch komplett zerlegt hat vor Begeisterung, die dich aus jedem Stimmungstief auf die Tanzfläche des Lebens zurückgekriegt hat, die du im ganzen Körper spüren konntest ist nun nicht mehr als die Summer ihrer einzelnen Teile.
Was einst die Audio-Qualitäten an zweite Stelle rückte und mit „Video killed the Radio Star“ besungen wurde, ist hier noch viel existenzieller. Und es ist eine Gretchenfrage. Wissen oder nicht wissen. Blaue oder rote Pille. Und deshalb muss man froh sein, sich für b) entschieden zu haben, darunter noch zwei, drei Monate zu leiden und davon tagzuträumen, jedoch die Musik und die Band und den Sänger immer noch zu lieben, seine Stimme, seine Gitarre sind immer noch dein Rausch ,frei von den ‚Menschen’ hinter der Band. Vielleicht wäre der Typ der Hammer, vielleicht wäre die Musik dann noch überwältigender aber die Gefahr, die Musik ganz zu verlieren steht in keinem Verhältnis und warum muss immer alles noch besser sein!?
507 hingucker

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